Wir erinnern an Isidor Hirsch
Text zur Verlegung am 24.11.2016
Lucas Kolodczij, Elias Erdmann, Maximilian Schneider, Sebastian Biesterfeld und Nina Lucassen,
Schüler des Rhein-Maas-Berufskollegs (Lehrerin Isabell Pawlik)
Isidor Hirsch wird am 12. August 1872 in Kempen geboren. Er ist Metzgermeister und Viehhändler und betreibt sein Geschäft hier an der Petersstraße 23, in einem Haus, das für das heutige Kolpinghaus 1979 ab gebrochen wurde. Er hat bei seinen Mitbürgern einen guten Ruf, gilt als äußerst fleißig und ist sehr beliebt. Sein Geschäft ist 6 1/2 Tage in der Woche geöffnet. 95% seiner Kunden sind Nicht-Juden. Jahrzehnte mästet er sein Vieh auf den Weiden rund um Kempen, ist einer der besten Steuerzahler in der Stadt. Dann treiben die Schikanen der Nazis seinen Betrieb in den Ruin. Schon 1934 werden ihm die Weiden nicht mehr verpachtet. Ein Jahr später wird sein Unternehmen auf Betreiben der Machthaber boykottiert. Wer trotzdem seinen Laden betritt, wird von der SS fotografiert. Infolge dessen macht sein Betrieb keinen Gewinn mehr, so dass Hirsch ihn 1935 an seinen Freund und Nachbarn Heinrich Renkes verkauft. Der Vertrag mit Renkes gewährt Isidor Hirsch und seiner Familie ein sechsjähriges Wohnrecht in der Wohnung über dem Laden. Aber die Nazis werden sich nicht daran halten; im Dezember 1941 werden er, seine Ehefrau Johanna und seine Schwester Hannchen in das „Judenhaus“ Josefstraße 5 gebracht (an der Stelle des heutigen Hauses Heilig-Geist-Straße 21), zusammen mit sechs weiteren jüdischen Frauen und Männern. Es ist die Vorstufe zur Deportation.
Johanna Hirsch, geborene Kaufmann, wird am 9. September 1874 in Kommern geboren und bekommt mit ihrem Mann sechs Kinder. Zwei ihrer Söhne, Leo und Paul, leben zu Beginn der NS-Zeit noch in Kempen. Johanna hofft, mit ihrer Familie eine Möglichkeit zur Ausreise zu erlangen. Als ihre Söhne 1939 nach England emigrieren, bleibt sie mit ihrem Mann in Kempen zurück, im Vertrauen darauf, dass man den alten Leuten nichts tun wird.
Hannchen Hirsch ist die zwei Jahre jüngere, unverheiratete Schwester von Isidor Hirsch. Sie kümmert sich um den Laden der Metzgerei und ist „die Seele“ des Geschäfts. Sie gilt in der Stadt als sehr beliebt und großzügig. Obwohl die Familie Hirsch selbst die strengen Speisevorschriften der Juden beachtet, verkauft sie in ihrem Laden auch Schweinefleisch. Arbeitslose und kinderreiche Familien bekommen häufig ein Stück Wurst dazu.
Am 24. Juli 1942 werden die drei Hirschs (68 bzw. 70 Jahre alt) mit anderen älteren Juden aus Kempen deportiert. Zunächst werden sie über Krefeld und Düsseldorf ins KZ Theresienstadt gebracht, um dann wenige Wochen später in den Gaskammern des Konzentrationslagers Treblinka ermordet zu werden.