Bildquelle: Josef Lamozik
Wir erinnern an Hedwig Pfeiffer
Geboren: 24.3.1885 in Kempen
Gestorben: 1945 in Bergen-Belsen
Opfergruppe: Politisch Verfolgte
Verlegeort: Vorsterstr.17
Verlegedatum: 17.6.2021
Patenschaft: Andreas Gareißen
Wir gedenken des NS-Opfers Hedwig Pfeiffer, im KZ umgekommen nach systemkritischen Äußerungen
In Kempen trug der Nationalsozialismus das Gewand bürgerlicher Rechtschaffenheit. Seine eigentliche Basis fand er in der unbedingten Vaterlandsliebe des größten Teils seiner konservativ-katholisch geprägten Bevölkerung. Aber die Nationalsozialisten waren ängstlich darauf bedacht, die Macht, die sie einmal übernommen hatten, auch zu behalten. Sie erließen Gesetze und Verordnungen, um jede politische Gefährdung im Keim zu ersticken. Damit wurde die Gesetzgebung, die doch eigentlich dem Schutz der Gesellschaft dienen soll, zu einer Schablone für den Erhalt des Systems. Wichtigste Grundlage für die Verfolgung widersetzlicher Handlungen durch die NS-Behörden wurde das so genannte Heimtückegesetz. Es untersagte unter Androhung von Gefängnis- und Zuchthausstrafen alle Verhaltensformen und Äußerungen, die gegenüber dem Regime etwas anderes ausdrückten als Bejahung oder Bewunderung. Wirksam werden konnte dieses Gesetz aber nur, wenn entsprechend viele Denunziationen vorlagen, auf die es reagieren konnte. Wie das funktionierte, zeigt das Beispiel von Hedwig Pfeiffer, derer wir mit diesem Stein gedenken. Ihr Schicksal ist nur in Bruchstücken überliefert.
Hier der Zusammenhang: Als nach dem Überfall auf die Sowjetunion und nach der deutschen Kriegserklärung an die USA die Kriegslage sich verschlechterte, nahm die Unterdrückung an Härte zu. Am 18. Februar 1943 erklärte der Propagandaminister Joseph Goebbels, ein fanatischer Nazi, in einer Massenkundgebung im Berliner Sportpalast den Totalen Krieg. Jede kritische Äußerung wurde nunmehr unnachsichtig verfolgt. Das bekam die allein stehende, unverheiratete Hedwig Pfeiffer, ohne Beruf, wohnhaft in ihrem Haus Vorster Straße 42, am eigenen Leibe zu spüren. Am 8. August 1944 wurde sie im Alter von fast 60 Jahren von einem Krefelder Gestapo-Beamten in ihrer Wohnung verhaftet und am nächsten Tag von dem Kempener Polizeibeamten Alfons Keysers in die Strafanstalt Anrath eingeliefert. Offensichtlich hat Hedwig Peiffer sich gegenüber Mietern, die in ihrem Haus wohnten, kritisch oder in Beschimpfungen über das NS-System geäußert, und die Mieter gaben diese Äußerungen an die Polizei weiter. Eine grundsätzliche Gegnerin des NS-Systems war Hedwig Pfeiffer wohl nicht; es scheint, als ob sie ihre Bemerkungen eher spontan im Verlauf eines Streits hat fallen lassen. Hedwig Pfeiffer soll bis mindestens Februar 1945 in Anrath inhaftiert gewesen sein. Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt ist sie im KZ Bergen-Belsen umgekommen.
Am 19. Oktober 1945 beschloss der provisorische Verwaltungsausschuss der Stadt Kempen, die Namen der KZ-Opfer auf besonderem Blatt in das Goldene Buch der Stadt Kempen als Opfer des Naziterrors einzutragen. Bedauerlich, dass dieses Buch heute nicht mehr aufzufinden ist.