Carola und Siegmund Winter

Wir erinnern an Siegmund Winter

Geboren:       18.2.1864 in Kempen
Gestorben:     11.3.1943 in Treblinka
Opfergruppe:  Jude
Verlegeort:      Heilig-Geist-Straße 21
Verlegedatum: 9.6.2022
Patenschaft:    Jutta Brillok und Winfried Haneklaus

 

Wir erinnern an Carola Winter

Geboren:        30.4.1899 in Kempen
Gestorben:      15.4.1944 in Auschwitz
Opfergruppe:  Jude
Verlegeort:      Heilig-Geist-Straße 21
Verlegedatum: 9.6.2022
Patenschaft:    Jutta Brillok und Winfried Haneklaus

 

 

Carola Winter als Schülerin der jüdischen Religionsschule in Kempen 1910.

Foto: Artur Winter/Göteborg

 

 

Carola Winter als Zwölfjährige

Foto: Mirjam Winter

 

Siegmund Winter wird am 22.1.1864 als Sohn des Viehändlers  Susman Winter (1830-1905) und seiner Frau Marianne, geb. Rath (1835-1907) in Kempen geboren. Er wird ebenfalls Viehhändler und lebt mit seiner Frau Henriette (Jettchen), geb. Levisohn,  (geb. 10.7.1896, gest. 10.9.1926) und den Töchtern Carola , geb. am 30.4.1899 und Else, geb. am 5.11.1901 im eigenen Haus auf der Heilig-Geist-Str.21.

Während Else bereits 1937 in die USA auswandert, bleiben Siegmund und Carola in Kempen.

In der Kempener Progromnacht, am Vormittag des 10. November 1938 müssen sie miterleben, wie die Kempener Synagoge abgebrannt, jüdische Geschäfte geplündert und Wohnungen jüdischer Mitbürger zerstört werden, so auch ihre Wohnung auf der Heilig-Geist-Str.21.

Der 74jährige Siegmund ist während dieser Verwüstung schon im Kempener Polizeigefängnis. Seine gehbehinderte Tochter Carola erleidet einen schweren Schock, der zum Auslöser einer psychischen Krankheit wird.

Vom schwedischen Lund aus versucht der bereits 1931 aus Deutschland emigrierte Arthur Winter, seinen Vater Siegmund und seine um vier Jahre ältere Schwester Carola nach Schweden zu bekommen. Es gelingt ihm, bei den schwedischen Behörden ein Einreisevisum auf Dauer für den alten Siegmund zu beschaffen, aber nicht für Carola. Da beschließt der Vater, bei seiner Tochter zu bleiben; denn sie ist durch einen Geburtsfehler körperlich behindert und seelisch krank.

Bald müssen die Juden auch ihre Wohnungen verlassen und von der übrigen Bevölkerung getrennte Unterkünfte beziehen. Am 24. September 1941 verschickt Kempens Landrat Jakob Odenthal an die Bürgermeister seines Landkreises eine Polizeiverordnung über die Freimachung der von Juden bewohnten Wohnungen. Darin heißt es: In erster Linie ist der jüdische Wohnraum durch Zusammenlegen mehrerer jüdischer Familien in eine Wohnung stärker als bisher auszunutzen. Dabei ist es als selbstverständlich vorauszusetzen, daß den Juden nur die ungesundesten und schlechtesten Wohnungen belassen bleiben, wobei jedoch die geltenden sanitären Vorschriften zu beachten sind und darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß die Wohnungen bzw. Häuser nicht alle nebeneinander zu liegen kommen (Gettoisierungsverbot). Der auf diese Weise frei werdende jüdische Wohnraum würde dann der deutschblütigen Bevölkerung zur Verfügung stehen, ohne daß hierdurch eine finanzielle Belastung des Reiches oder der Gemeinden eintritt. Verfasser der Verordnung ist die Gestapo-Leitstelle Düsseldorf.

Als Folge werden im Laufe der Monate November/Dezember 1941 von den 26 Juden, die es damals in Kempen nachweislich noch gegeben hat, mindestens zwölf von der Polizei aus ihren bisherigen Wohnungen ausquartiert und in sogenannten Judenhäusern mit der offiziellen Bezeichnung Jüdische Gemeinschaftshäuser zusammengezogen.

Dieser Zwangsumzug der Kempener Juden erfolgt nicht gleichzeitig, sondern in mehreren Aktionen. Es scheint, als ob zunächst diejenigen, die für die erste Deportation am 11. Dezember 1941 nach Riga in Aussicht genommen waren, in die Sammelquartiere kamen. Bei der Einrichtung ihrer Judenhäuser lässt die Stadt Kempen sich von praktischen Erwägungen leiten. Sie schafft die schandhaften Massenquartiere durch Zuzug in Häuser, die bereits Juden gehören.

So wird auch das Haus von Siegmund Winter zu einem „Judenhaus“: Von der Peterstraße 23 bringt die Polizei Isidor Hirsch, seine Frau Johanna und seine Schwester Hannchen in das Haus von Siegmund Winter und dessen Tochter Carola. Dahin werden nun auch Andreas Mendel, seine Ehefrau Paula und ihr Sohn Kurt aus ihrer letzten Wohnung Tiefstraße 15 gezwungen, ebenso wie Sally Servos, seine Ehefrau Nanni und ihre Tochter Bertha von der Vorster Straße 16. Was für eine Enge muss in den neuen Quartieren geherrscht haben!

Carola Winter sollte ursprünglich mit dem Transport vom 10. Dezember 1941 weggebracht werden.  Aber weil sie seelisch krank und körperlich behindert ist, wird sie von der Gestapo Düsseldorf zunächst noch zurückgestellt.

Als Siegmund und Carola Winter erfahren, dass sie mit dem Transport am 25. Juli 1942 deportiert werden sollen, schreiben sie einen gemeinsamen Abschiedsbrief an die Familie ihres Bruders bzw. Sohnes Arthur Winter, der damals bereits in Schweden lebte. Außer Carola Winter sind alle Deportierten über 65 Jahre alt, die meisten sind über 70. Damit zerbricht die Illusion vom Arbeitseinsatz im Osten. Siegmund und Carola werden nach Theresienstadt gebracht. Siegmund Winter stirbt dort am 11.3.1943 im Alter von 78 Jahren.

Carola wird am 20.3.1944 weiter nach Auschwitz transportiert, wo sie am 15.4.1943 ermordet wird.