Wir erinnern an Selma Bruch, geb. Goldschmidt
Geboren: 20.4.1903 in Kempen
Gestorben: November 1943 in Auschwitz
Opfergruppe: Jude
Verlegeort: Alte Schulstr.10
Verlegedatum: 18.12.2017
Patenschaft: Gilbert und Eva Scheuß
Selma Bruch war die Tochter von Helene und Abraham Goldschmidt und Leo Goldschmidts jüngere Schwester. Sie wurde am 20. April 1903 in Kempen geboren. 1932 heiratete sie Rudolf Bruch aus Dülken und bekam mit ihm zwei Kinder: Herbert und Ilse.

Selma Bruch ein Jahr vor ihrer Deportation
Foto: Joanne Bruch, Unlocking the golden cage
Am Vormittag des 10. November 1938, im Zuge der Pogromnacht, dringen Kempener Nazis in ihre Wohnung ein. Wilde Drohungen brüllend, stürmen sie ins Wohnzimmer, zerschlagen mit einer Axt das Klavier und werfen die Trümmer durchs Fenster auf die Straße. Dann wenden sie sich den Schlafzimmern zu. Aber hier tritt ihnen Selma Bruch entgegen: „Bitte! Da schlafen unsere Kinder. Die sind doch noch klein, bitte, bitte, tut ihnen nichts.“ Einer der Nazis schreit nur: „Was interessieren uns deine Judenbälger? Bring die bloß `raus!“ Aber vor der Tür des Kinderzimmers bleiben sie doch stehen. Dann nimmt Selma Bruch ihre beiden kleinen Kinder, die vierjährige Ilse und den sechsjährigen Herbert, und läuft mit ihnen auf die Straße, begleitet von der Großmutter Helene Goldschmidt, während sie noch hinter sich das Splittern von Glas und das Krachen der auf den Boden geworfenen Gegenstände hört. Vor dem Haus angekommen, sieht sie auf dem Bürgersteig schon den zerbrochenen Tisch, die Stühle und die Spielzeugkommode aus dem Kinderzimmer liegen, daneben Stücke von Spielzeug.
1940 gelingt es, Herbert Bruch über die Niederlande nach England zu bringen. Aber die sechsjährige Ilse wird mit ihren Eltern in das Ghetto von Riga deportiert. Im Februar 1942 stirbt der Vater, Rudolf Bruch, beim Bau eines KZ an Typhus. Seine Frau Selma hat Überlebenschancen: Da sie geschickt im Nähen ist, hat die SS ihr mit anderen Frauen die Zwangsarbeit übertragen, die Kleidungsstücke der Ermordeten zu reinigen und auszubessern, damit die Textilien in Deutschland an bedürftige Volksgenossen verteilt werden können. Bei ihrer Arbeit stockt Selma Bruch manchmal der Atem, wenn sie die Sachen sortieren muss, die die Teilnehmer an Todestransporten vor ihrer Erschießung ablegen mussten: Schuhe von Kleinkindern sind darunter, Stofftiere und liebevoll gestrickte Kinderwestchen. Für Selma Bruch ist diese Arbeit eine Art Lebensversicherung. Aber noch wichtiger ist ihr, für ihre Tochter da zu sein, sie zu beschützen; vor allem jetzt, wo der Vater nicht mehr da ist.
Als sie am 2. November 1943 mit ihrer Arbeitskolonne in das Getto zurückgebracht wird, sieht sie, wie dort Lkw aufgefahren sind. Hinter den Ladeflächen hat man alte Leute und Kinder aufgereiht, um sie nach Auschwitz zu bringen – darunter ihre elfjährige Tochter Ilse. Selma Bruch stellt sich hinter das verängstige Kind und sagt: „Du musst keine Angst haben. Ich komme mit dir.“ Drei Tage später sterben beide in der Gaskammer.
Selma Bruchs Liebe war stärker als die Angst vor dem Tod. So folgte sie ihrem Kind in die sichere Vernichtung. Die Tapferkeit einer jüdischen Mutter beschämte den Rassenwahnsinn der Nazis.