Wir erinnern an Ilse Bruch
Geboren: 16.1.1934 in Kempen
Gestorben: November 1943 in Auschwitz
Opfergruppe: Jude
Verlegeort: Alte Schulstr.10
Verlegedatum: 18.12.2017
Patenschaft: Gilbert und Eva Scheuß
Ilse Bruch wurde am 16. Januar 1934 im Hause ihrer Eltern Selma und Rudolf Bruch an der St. Töniser Straße 43 geboren. Als ihr Vater seinen Beruf als Viehhändler nicht mehr ausüben durfte, zog er mit seiner Familie zu den Schwiegereltern, Vorster Straße 2. Am Vormittag des 10. November 1938 wurde das Haus im Zuge der Pogromnacht von Kempener Nazis verwüstet. Die Ausschreitungen erfüllten das kleine Mädchen mit Entsetzen. Die Kempener Zeitzeugin Katja Scholz hat damals beobachtet, wie die zerschlagenen Möbel durch die Fenster auf die Straße geworfen wurden. Sie berichtet: „Ich erinnere mich noch, wie im Fensterrahmen der Polizist Ludwig Oberdieck auftauchte und neben ihm der SS-Mann Fritz Holtermann, auf dem Kopf die Schirmmütze mit dem silbernen Totenkopf. Im offenen Fenster links daneben aber stand die kleine Ilse Bruch und weinte Herz zerreißend.“
Ihre Eltern ahnen das kommende Unheil. Am 9. Januar 1939 übergibt Selma Bruch im Kölner Hauptbahnhof die fünfjährige Ilse in die Obhut holländischer Pflegeeltern, die sie bald wie eine eigene Tochter lieb gewinnen. Aber im Mai 1940 werden die neutralen Niederlande von der deutschen Wehrmacht besetzt, und Ilse Bruch wird nach Kempen zurückgebracht.
Ab dem 19. September 1941 muss sie wie alle anderen Juden den gelben Judenstern tragen. Die deutsche Bevölkerung meidet jeden Kontakt mit den Sternträgern. Im November 1941 hat eine andere Zeitzeugin, die damals sechsjährige Elisabeth Dambacher, Ilse Bruch mit ihrer Mutter noch einmal gesehen. Sie berichtet: „Die beiden gingen über den Kirchplatz, in der Nähe des Portals von St. Marien. Ich sprach sie arglos an. Da stürzte aus einem anliegenden Haus eine Frau heraus, zerrte mich von Selma und Ilse Bruch weg und fuhr mich an: Mit denen darfst du nicht erzählen!“
Einen Monat später wird Ilse von der Kempener Polizei mit anderen Juden in das 1974 abgebrochene städtische Schwimmbad an der heutigen Orsaystraße gebracht. Hier sollen sie, bevor man sie am nächsten Morgen mit dem Zug nach Düsseldorf und von dort weiter in die Vernichtung deportiert, auf den Fliesen des Fußbodens schlafen. Aber dazu kommen sie nicht, denn der Polizeiwachtmeister Ludwig Oberdieck lässt sie sich immer wieder in einer Reihe aufstellen und durchzählen. Die letzte in der Reihe ist die siebenjährige Ilse Bruch, schwarz gelockt und bildhübsch wie ihre Mutter Selma. Einer der Hilfspolizisten, die in dieser Nacht in Kempen Dienst haben, ist Josef van Doornick. Er kann Oberdiecks Schikanen nicht mitansehen und verlässt seinen Dienst. Daraufhin wird er als Soldat eingezogen und stirbt kurz nach Kriegsende an den Entbehrungen, die er im Gefangenenlager davongetragen hat. Ilse Bruch aber wird mit ihren Eltern in das Ghetto der lettländischen Hauptstadt Riga gebracht.
Hier soll sie am Abend des 2. November 1943 mit anderen Kindern in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht werden. Sie steht bereits mit anderen in einer Reihe hinter dem Lastwagen, der sie zum Bahnhof fahren soll. Ängstlich hält sie Ausschau nach ihrer Mutter. Da kommt Selma Bruch von der Zwangsarbeit zurück. Ohne lange zu überlegen, stellt sie sich zu Ilse in die Reihe der Todgeweihten. Ihre Tochter soll im Sterben nicht allein sein. Am 5. November 1943 werden die beiden in die Gaskammer getrieben und ermordet.