Wir erinnern an Andreas Rath

Geboren:         22.8.1878 in Kempen
Gestorben:       1942 in Salaspils/Riga
Opfergruppe:    Jude
Verlegeort:       Umstraße 8
Verlegedatum:  22.6.2020
Patenschaft:     Markus A. Pfeifer

1942 im KZ verhungert: Andreas Rath
Foto: Yad Vashem

Wir gedenken des Kempener Bürgers Andreas Rath, der im Konzentrationslager verhungerte. Dieses Bild, das meine Frau Euch zeigt, stammt vom Gedenkblatt des Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem.

Andreas Rath wurde am 22. August 1878 als Sohn von Salomon und Carolina Rath in Kempen geboren. Zunächst wohnte er im Haus Vorster Straße 17. Von dort zog er 1931 in das Haus Umstraße Nr. 8, an der Ecke Rabenstraße/Umstraße. Dieses Haus wurde am 2. März 1945 durch einen Bombenangriff dem Erdboden gleich gemacht.

Andreas Rath war Junggeselle. Ein freundlicher, zurückhaltender Mann mit dicken Brillengläsern, ärmlich gekleidet, der das Rindvieh der jüdischen Viehhändler zu deren Weide am Krefelder Weg trieb. Die Weide grenzte an den Garten des Postbeamten Heinrich Sturm, der mit seiner Familie an der St. Töniser Straße 76 wohnte. Einer seiner Söhne, der 1922 geborene und 2018 verstorbene Ferdinand Sturm, hat sich gut an den jüdischen Nachbarn erinnert: Andreas Rath erlaubte ihm und seinen Geschwistern, ihre Gänse auf seine Weide zu treiben, und alle hatten ihren Spaß dabei. Aber seit der nationalsozialistischen Machtübernahme hatte Andreas Rath keinen Verdienst mehr und musste von seinen Verwandten unterstützt werden. Bis Ende 1933 baten ihn die Sturms gelegentlich noch zu einem „Verzäll“ in ihr Haus – aber nun musste das geheim bleiben.

Seit dem 19. September 1941 müssen auch die Kempener und St. Huberter Juden den gelben Judenstern tragen – Zeichen der Ausgrenzung. Der größte Teil der Kempener nimmt die gebrandmarkten Mitbürger nicht mehr wahr, sieht auf der Straße durch die Sternträger hindurch, meidet jeden Kontakt mit ihnen. Aber nicht alle laden diese Schande auf sich. Der 1882 geborene Albert Beckers, Betriebsschreiner bei der Stadt Kempen, ist mit dem Juden Andreas Rath auf der Umstraße groß geworden. Beckers grüßt den Jugendgefährten nach wie vor, auch wenn der jetzt den gelben Stern tragen muss. Bis Rath ihn eines Abends im Dunkeln anspricht und sagt: „Albert, grüße mich nicht mehr, denke an deine Kinder. Wenn du mich anguckst, weiß ich, dass du mich grüßen willst.“ Andreas Rath erzählt Albert Beckers auch, dass er damit rechne, weggebracht zu werden.

Knapp zwei Monate später ist es soweit. Am 11. Dezember 1941 wird Andreas Rath aus seinem Haus an der Umstraße von der Kempener Polizei zum Bahnhof gebracht und mit elf anderen Juden in das Ghetto der lettländischen Hauptstadt Riga deportiert. Im Dezember 1942 ist er im nahe gelegenen KZ Salaspils verhungert.