Adele Bruch

Wir erinnern an Adele Rath, verh. Bruch

Geboren:          19.3.1876 in Kempen.
Gestorben:        13.3.1943 in New York
Opfergruppe:     Jude
Verlegeort:        Umstraße 8
Verlegedatum:   22.6.2020
Patenschaft:      Elvira und Ludger Nolte

Wir gedenken Adele Bruch, geb. Rath, sie ist die letzte jüdische Einwohnerin aus Kempen, die ihr Leben im Alter von 65 Jahren durch die Emigration retten kann. Adele Bruch wird am 19. März 1876 als Tochter des Viehhändlers Salomon Rath und seiner Frau Carolina, geb. Kaufmann, in Kempen geboren. Das Kaiserreich ist fünf Jahre alt, die Wirtschaft im Aufschwung und die Emanzipation der Bürger jüdischen Glaubens gehen einher mit der Vision, dass dem Fortschritt keine Grenzen gesetzt sind. Im Jahre 1899 heiratet Adele den Viehhändler Hirsch Bruch aus Dülken. Aber 1912 erkrankt ihr Mann, mit dem sie mittlerweile sieben Kinder hat, schwer an Diabetes und stirbt im Oktober 1920, zwei Jahre nach dem 1. Weltkrieg. Bis zum Mai 1930 führt sie das Viehhandelsgeschäft Ihres Mannes weiter und übergibt es dann an ihre Söhne Rudolf und Ernst. Mit Kempen verbinden die Familie enge Bande, denn von dort stammt nicht nur Rudolfs Mitter Adele, sondern hier hat Rudolf Bruch auch seine Frau Selma Goldschmidt kennengelernt. Das Leben geht weiter, die Machergreifung der Nationalsozialisten 1933 betrifft auch das Leben der Familien Rath/Bruch und nach der „Kristallnacht“ verschlimmert sich die Situation zusehends. So wird Adeles Sohn Rudolf von den Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er mehr als zwei Monate verbringen muss. Am 04. Januar 1939 fährt Adele Rath mit ihrer Schwiegertochter Selma Bruch und deren Kindern von Dülken aus zum Kölner Hauptbahnhof, wo sie diese holländischen Frauen übergeben. Nach einer möglichen Ausreise nach England hoffen sie, ihre Kinder bzw. die Enkel dort in Freiheit wiederzusehen. Im Dezember 1938 verkauft Adele Bruch im Rahmen der von den NS-Behörden angeordneten Arisierung ihre beiden Häuser in Dülken an den Automechaniker Johannes Laumen und den Schneider Jakob Kehrbusch. Vom Erlös will sie mehrere Hypotheken, die horrenden Aufwendungen für die Judenvermögensabgabe (ca. 10.000 RM) und später, vor ihrer Auswanderung, die Reichsfluchtsteuer (ca. 5.000 RM) bestreiten. Unterschlupf findet sie vom 28. Februar 1939 an bei ihrem Bruder Adolph, genannt Andreas, Rath in Kempen, hier in der Umstraße 8. Aber weil sie sich im fremd gewordenen Geburtsort nicht wohl fühlt, zieht sie zeitweise zurück zu ihrem Schwager Leo Bruch nach Dülken. Durch ihr beherztes Auftreten in der Reichszentrale für jüdische Auswanderung, die auf Anweisung Hermann Görings am 11. Februar 1939 in Berlin eingerichtet wurde, bekommt sie auch einen Reisepass, der freilich mit dem seit dem 1. Januar 1939 vorgeschriebenen J für Juden und dem schandbaren Einheits-Vornamen Sarah versehen ist. Das amerikanische Konsulat in Stuttgart versieht ihn dann mit dem ersehnten Visum. So steuert sie – wie viele andere – das letzte Schlupfloch aus Europa an: das neutrale Portugal. Ihre Tochter, die in New York lebende Ärztin Dr. Hilde Bruch, überweist ihr im September 1941 die Summe von 500 Dollar für die Eisenbahnfahrt von Berlin nach Lissabon, für die Schiffspassage von Lissabon nach Havanna und von dort weiter nach New York. Ende September 1941 kommt sie mit der Nyassa in New York an, wo Hilde sie erwartet. Im Februar 1943 jedoch wird bei Adele Bruch Leberkrebs festgestellt, und sie stirbt am 13. März im Alter von 67 Jahren. An Krebs sollen damals zahlreiche Juden nach geglückter Emigration verstorben sein, vielleicht eine Folge der Jahre langen, ungeheuren Anspannung.